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KategorienReportageTiny Homes

Sich schnell ändernde Lebensrealitäten, sinkende Haushaltsgrößen und die Rückbesinnung auf eine bewusstere Lebensweise führen auch in puncto Wohnen zu einem Wandel. Unter dem Schlagwort „Tiny Homes“ entwickeln sich spannende neue Konzepte, wie es sich auf kleinem Raum großartig lebt.

Veränderungen in der Demografie, neue Wertesysteme und steigender Platzmangel in Städten läuten auch Transformationsprozesse in unserer Wohnkultur ein. Nicht nur Wohnungen werden im Durchschnitt immer kleiner, sondern auch bei ganzen Einfamilienhäusern ist „Downsizing“ ein aktueller Trend. Unter dem Begriff „Tiny Homes“ wurden – ausgehend von den USA – seit den 1990er Jahren kleine, flexible und individualisierbare Wohnkonzepte entwickelt. Diese sollen sich an unterschiedliche Lebenssituationen anpassen und zugleich ein neues Bewusstsein für nachhaltige Lebensstrategien und Innovationen in der Gemeinschaft schaffen. Bewusst Kaufen nimmt einige davon unter die Lupe.

Demografischer Wandel verändert unsere Wohnkultur

In Österreich gibt es durchschnittlich rund 3,9 Millionen Privathaushalte (2018, Quelle: Statista) – Tendenz steigend. Laut Prognosen wird bereits Anfang der 2020er-Jahre die Vier-Millionen-Marke überschritten sein. Die Gründe dafür liegen einerseits im allgemeinen Bevölkerungswachstum und andererseits in der zunehmenden Tendenz zu Einpersonenhaushalten. Infolgedessen wird auch ein Sinken der durchschnittlichen Haushaltsgröße erwartet.

Zudem zieht es immer mehr Menschen in urbane Gebiete – nicht nur in Österreich, weltweit zeigt sich ein ähnliches Bild. Neben der Platzknappheit in Städten, hat auch der Umbruch der klassischen familiären Wohnformen starke Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt und erhöht zugleich das Potenzial von Häusern im Kleinformat.

Kleines Haus, große Effekte

Ein Tiny House muss äußerst effizient geplant und auf die Vorlieben und Bedürfnisse des Eigentümers angepasst werden. Die vergleichsweise kleine Fläche bewirkt einen geringeren Energieverbrauch, da zum Beispiel weniger Raum zum Heizen und weniger Geräte zur Verfügung stehen als in einem durchschnittlichen Haushalt. Demnach profitieren die Bewohnerinnen und Bewohner von einem niedrigeren ökologischen Fußabdruck und einer geringeren wirtschaftlichen Belastung.

Eine wesentliche Komponente stellt jedoch auch die Veränderung des Lebensstils dar. Das reduzierte Raumangebot führt automatisch zu einem minimalistischeren Leben und stellt eine Alternative zum vorherrschenden Überkonsum dar – weg von „je mehr, desto besser“, hin zu nachhaltigeren Lebensstrategien und einem bewussteren Konsum. Diese Entwicklung führte auch die Architektin Sarah Susanke, eine der Begründerin des „Tiny House Movements“, in ihrem 1997 erschienenen Buch „The not so big house“ an. Darin beschrieb sie erstmals kleinformatige smarte Häuser als neues Statussymbol und setzte damit einen Meilenstein für die Bewegung.

Stadtplanung – Aus der Nische zum Mainstream?

Seit dem „Tiny House Movement“ in den 1990er Jahren hat sich die vormalige Nischenidee stark gewandelt. Im Sinne einer effizienten Nutzung von privaten wie öffentlichen Räumen, spielen Konzepte von „Small Living Spaces“ in der heutigen Stadtplanung eine essentielle Rolle. Mit den kleinformatigen Häusern werden nun neue Potenziale entdeckt und die optimale Nutzung von frei stehenden Flächen insbesondere in Städten vorangetrieben.

Japan gilt dabei als Vorreiter: Der Architekt Ryue Nishizawa hat beispielsweise im Zentrum Tokios das „Moriyama House“ – eine Ikone der Micro Homes – realisiert. Es besteht aus zehn Kuben, welche frei angeordnet und ineinander verschachtelt sind. Barrieren gibt es kaum, stattdessen sind Wege, Plätze und Nischen zwischen den Kuben mit dem Rest des Viertels verbunden. Doch auch in anderen Ländern befinden sich „Micro Houses“ auf Erfolgskurs – in Großbritannien beispielsweise nahm der Bau von Häusern im Kleinstformat seit 2014 um 172 Prozent zu.

Flexibel und Autark: Wohnräume für jede Lebensphase

Ein weiterer Grund für die wachsende Nachfrage von den kleinen Häusern ist deren Flexibilität und Individualisierung. In Zeiten von weniger linear verlaufenden Familienbiografien, einer gesteigerten Mobilität und häufigere Wohnortswechsel, müssen sich auch die Wohnformate an die jeweilige Lebenssituation angleichen. Die Grazer Unternehmen „Microloft“ und „Commod Haus“ setzen deswegen auf Tiny Houses mit einem modularen System – je nach Lebenssituation können Räume angebunden oder wieder entkoppelt werden. Weiters sind sie mobil und können einfach per Tieflader an einen anderen Ort transportiert werden.

Oder aber, sie stehen auf Rädern, wie „Karl“, „Fanni“ oder „Susi“ – die Tiny Houses des niederösterreichischen Start-Ups „Wohnwagon“. Neben der Mobilität, punkten die Wohnwagons mit nachhaltiger Technik bis hin zur fast gänzlichen Autarkie. Die 15 bis 33 Quadratmeter großen Wohnflächen sind individuell gestaltbar und werden auf Wunsch in modernem Design mit natürlichen regionalen Baustoffen ausgestattet. Im Sinne von geschlossenen Kreisläufen und einer unabhängigen Versorgung von Strom, Wasser und Wärme werden einzelne Autarkie-Module angeboten. Dazu zählen Photovoltaikanlagen oder wassergeführte Holzheizungen zur Erzeugung von Energie und Wärme bis hin zur eigenen Grünkläranlage auf dem Dach.

Gemeinsam für nachhaltigere Konzepte

Das Vorhaben von Wohnwagon geht aber weit über das Anbieten von Tiny Houses hinaus – es geht um neue Wege für Autarkie und in weiterer Folge auch um die dauerhafte Etablierung neuer nachhaltiger Lebensstrategien. „Open Source“ ist ein wichtiger Ansatz, um dieses Ziel in der Gemeinschaft zu erreichen. Denn nur indem Hintergrundwissen, Ideen und Know How geteilt wird, kann etwas Größeres und Nachhaltigeres entstehen. Deswegen bieten Wohnwagon auf ihrer Website, in ihrem Magazin und bei Workshops Informationen und „how to“-Anleitungen an.

Das Innovationspotenzial von „Open Source“ hat auch Harald Gruendl, einer der Masterminds des Designtrios EOOS längst erkannt. Im Rahmen der Vienna Biennale for Change hat er mit seinen Kollegen Ausstellungsobjekte entwickelt, welche sich ebenfalls via „Open Source“-Lizenz von jeder Person weiter entwickeln lassen, unter anderem im Bereich der städtischen Mobilität.

Um ein Mehr an Miteinander geht es auch dem Berliner Kollektiv „Tinyhouse University“ (TinyU). Um gemeinsam neue Wege für ein gerechteres Zusammenleben zu finden, wurden auf dem Bauhaus Campus in Berlin selbstgebaute Tiny Houses unter dem Motto „Study. Build. Research“ gebaut. Im Rahmen des künstlerischen Experiments wird der Campus dazu genutzt, gemeinsam mit Akteuren aus Design, Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und der Start Up-Szene zu studieren, zu bauen und über neue Formen des Miteinanders zu forschen.

Micro Housing als Zukunftsmodell?

Angesichts der zunehmenden Platzknappheit, der Verschiebung von Werten und familiären Wohnsituationen, müssen auch Bauen und Wohnen neu gedacht und flexibler gestaltet werden. Minihäuser gelten als sparsame und umweltschonende Form des Wohnens und als Gegenentwurf zu überdimensionierten Domizilen. Sie befinden sich nicht nur hinsichtlich finanzieller Aspekte – wie geringere Anschaffungs- und Instandhaltungskosten – auf Erfolgskurs, sondern bringen auch noch eine weitere wesentliche Komponente mit sich: Das Rückbesinnen auf eine nachhaltigere Lebensweise mit weniger Besitz, dafür mit mehr Gemeinschaftssinn und einem bewussteren Umgang mit unseren Ressourcen.

Quellen und weitere Informationen: