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KategorienWissenswertKlimafreundlich leben… mit AHERZ

Im kleinen Örtchen Neu-Pischelsdorf nahe Wien ist am Familiengrundstück eine Schokomanufaktur entstanden. Wir haben Gründer Michi Salge von „AHERZ“ zum Interview getroffen und mit ihm über (s)eine Atlantiküberquerung, „Bean-to-bar“, seinen nachhaltigen Zugang zu Schokolade und den Herausforderungen gesprochen.

Lieber Michi, wie ist die Idee entstanden, AHERZ zu gründen?

Man kann fast sagen, dass Kakao mich gefunden und auf diesen Weg geführt hat bzw. noch immer der Kompass ist. Die Idee entstand nach meinem Bachelor für urbane Erneuerbare Energien und Master in Gebäudetechnik – ich wollte 2016 zuerst noch eine längere Reise machen, bevor ich ins Berufsleben voll einstieg. In Spanien habe ich etwa ein halbes Jahr bei einem Permakultur Projekt im Rahmen eines europäischen Freiwilligendienstes Spanisch gelernt und war dann mit einem Kapitän 4 Monate auf dem Atlantik unterwegs. Die Segelboot-Reise führte mich zu karibischen Inseln, nach Süd- und Mittelamerika – auf dem Weg begegnete mir Kakao häufig und ich fand auch Freund:innen, die mit Kakao arbeiten.

Ich wusste nach der Rückkehr will ich meinen eigenen Kakao herstellen und mit meinen  Amerikanisch/Karibischen Verbindungen arbeiten. 2017 ist dann der Grundstein gelegt worden für eine eigene Manufaktur am Familiengrund und 2019 erfolgte die Firmengründung. Nachdem ich danach noch „Konditor“ am zweiten Bildungsweg wurde konnte ich auch endlich meine Produkte der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Michi Salge von AHERZ
Michi Salge von AHERZ© Daniel Willinger | dwphoto.at

Was ist das Besondere an deinem Ansatz bzw. kannst du kurz erklären, was „bean-to-bar“ bedeutet?

Wir machen „bean-to-bar“ Schokolade, also alles aus einer Hand gefertigt – von der Bohne bis zur Tafel, alles „in-house“.  Das Modell ist zwar sehr aufwendig, aber die Qualität, die wir erzeugen können, überzeugt mittlerweile international.

Wir arbeiten außerdem mit Kooperativen, Social Businesses und auch einzelnen Farmen zusammen und stellen sicher, dass durch dieses „direkte“ Handeln mehr Wertschöpfung im Ursprungsland und entlang der Wertschöpfungskette bleibt.

Inwiefern ist dir Nachhaltigkeit wichtig bzw. wie setzt du diese entlang der Wertschöpfungskette um?

Nachhaltigkeit ist ein in mir gewachsener Wert – ich war schon immer Techniker/Tüftler und bemüht Lösungen zu finden, die nachhaltig wirken. Deswegen auch der Schritt bei der Wahl zum Studium zu den erneuerbaren Energien und Häusern. Umgelegt auf ein Konsumprodukt wie Schokolade und Kakao, das von weit her kommt, beginnt dieser Gedanke natürlich beim Boden, wo der Kakao kultiviert wird. Agroforest Anbau Kulturen, Verzicht auf mineralische Chemie, etc. sind für uns AHERZ Standard und wichtig in der Wahl für unsere Partner:innen in Süd- und Mittelamerika.

Bei unseren anderen Zutaten ist biologische, nachhaltige Kultivierung ein „Must“, seien es Kürbiskerne etc. aus der Region oder von jemanden, den man kennt, über Rübenzucker bis hin zum Steinsalz, welches wir aus Österreich beziehen. Bei der Regionalität wird es bei Zutaten wie Rohrohrzucker oder Bourbon Vanille natürlich schwierig, aber auch hier bemühen wir uns, mit möglichst nahe gelegenen Erzeuger:innen zu arbeiten.

Ein dezidiertes Bio-Siegel ist gut, aber das fehlen eines solchen kein Ausschlusskriterium für uns, weil wir z.B. auf eine super Kakaobohne wie unsere Chuno aus Nicaragua nicht verzichten wollen, nur weil die gut und nachhaltig arbeitenden Bäuer:innen im Ursprungsland die Kosten des Siegels nicht tragen wollen.

Als Transportweg ist das Ziel so viel wie möglich gesegelt zu bekommen. In unseren aktuellen Bedarfsmengen nicht so einfach, aber dort soll es hingehen. Alle Bohnen in einem, gar eigenen AHERZ-Segelboot über den Atlantik transportiert, wenn ich träumen darf. Deswegen auch unser Bezugs-Fokus auf diesen Bereich der Welt.

In unseren Produkten soll es für den Endkund:innen auch kein mineralisches Plastik geben. Das heißt unsere händisch verpackten Schokoladen kommen in einen transparenten heimkompostierbaren Natureflex Zellulose Beutel und dann in eine Schachtel aus recyclingfähigem Papier. Selbst der Sticker mit dem wir momentan noch die Schachteln verschließen müssen ist aus Bioplastik. Dragees und Konfekt wird ebenfalls entweder in Glas, Kartonboxen oder einem anderen nachhaltigeren Material verpackt. Unsere Ansprüche sind hoch und momentan auch noch etwas teurer das so umzusetzen, da die Verpackungsindustrie Materialtechnisch leider aktuell nur am billigsten interessiert ist. Verpackung ist ja oft nur Mittel zum Zweck und bietet wenig Mehrwert.

Was sind die (globalen) Herausforderungen, die mit der Kakaoproduktion in Verbindung stehen (können)?

Der „koloniale Rattenschwanz“ sage ich immer z.B. Wie kann es sein, dass ich Kakaobohnen zollfrei aus einem Land wie Ghana einkaufen kann, aber bei einem super Produkt wie direkt in Ghana produzierten Schokoladetafeln von Fair-Afric beim Import Zoll zahlen muss?

Kinderarbeit und Sklaverei – insbesondere bei Kakao aus der Elfenbeinküste oder Ghana kann man das leider nicht ausschließen – sowie das Abhängig machen von internationalen Unternehmen und Strukturen sind auch leider weiterhin große Probleme in der Kakao- und Schokoladeproduktion. Auch wenn es Firmen gibt, die sehr bemüht sind das zu ändern, beim Nutzen der derzeitig vorhandenen großen Strukturen und Kooperationen mit multinationalen Unternehmen wird es fast immer schwierig.

Eine weitere Herausforderung ist natürlich auch, dass viele nichts über den Ursprung der Kakaobohnen oder den (aufwendigen) Prozess zur Schokoladeerzeugung wissen. Wir sind in Österreich allerdings gesegnet mit dem „heiligen“ Josef (Zotter) 😉 Denn er hat sich schon früh mit einer nachhaltigen Schokoladenproduktion in Österreich beschäftigt und ist Pionier und Visionär.

Hast du Tipps für Konsument:innen, worauf diese beim Kauf von Schokolade achten können?

  • Am besten ist natürlich wenn man wirklich weiß, wer die Schokolade gemacht hat. “Support your local Chocolatemaker” sage ich immer, schaut an wer in der Nähe wirklich von der Bohne weg Schokolade macht, denn das sind dann meistens genau diejenigen, die auf direktes Handeln, gute Bedingungen und natürlich Qualität achten.
  • Labels wie Bio und Fairtrade sind hilfreich, aber speziell in der Schokoladewelt gibt es sehr viele Produzent:innen, die über das hinausgehen.
  • Bei dunklen Schokoladen (70 %+): Sobald Lecithin oder gar irgendein alternatives Fett wie Pflanzen-/Milch-/Butterrein-fett drinnen ist, kann man fast sicher sein, dass hier an der teuersten Zutat – der Kakaobutter – gespart wurde und auf Haltbarkeit anstatt auf Qualität optimiert wurde.
  • Kleiner Tipp für Schokolade im Allgemeinen: Immer gut dran riechen, da entfalten sich schon die ersten Eindrücke und natürlich eine Kombination aus wenig Beißen und viel schmelzen lassen. Und vor allem Genießen 😉

Ein Blick in die Zukunft: Deine Vision für aherz im Jahr 2040?

Also momentan ist die Manufaktur am Familiengrundstück zuhause und man merkt richtig, dass sie wachsen will. Also sag ich einmal in 18 Jahren ist sie dann Volljährig und „ausgezogen“, hat ein Café mit dabei, wird á la Null-(oder gar) Plusenergie-Gebäude umgesetzt sein und wir sind in einer Größe wo es allen Mitwirkenden entlang der Wertschöpfungskette gut geht und wir ein Inkubator für gute Schokolade, Handelspraxis und Nachhaltigkeit sind. Das AHERZ Segelschiff wäre dann die Kirsche auf der Torte!

Vielen Dank für das Gespräch!