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KategorienWissenswertNachlese: 2. Österreichischer Obsoleszenz-Dialog

Langlebige Kleidung, ressourcenschonende Herstellungsbedingungen und ein Kleidungspreis, den auch die Kundinnen und Kunden bereit sind zu zahlen – nicht leicht all das unter einen Hut zu bringen? Im zweiten Österreichischen Obsoleszenz-Dialog stellten sich u.a. FUSSL Modestrasse, Lenzing AG und Willhaben.at dem Dialog mit Akteurinnen und Akteuren aus dem Textilbereich. Nachhaltige Textilien und veränderte Lebens- und Nutzungsdauer wurden von Stakeholdern im Kontext von Herstellungsprozessen, Überkonsumation und Wertewandel in Bezug auf Kleidung diskutiert. Zudem wurde an die laufende Weiterentwicklung der österreichischen Textilfachstrategie in den kommenden Monaten angeknüpft.

Das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) veranstaltete in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt am 19. November 2020 den „zweiten Österreichischen Obsoleszenz-Dialog“. Dabei diskutierten Akteurinnen und Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft Möglichkeiten die Nutzungs- und Lebensdauer von Textilien (insbesondere von Kleidung) zu verlängern und wie Digitalisierung dazu beitragen kann. Ziel war es Erkenntnisse und Best Practice von Modellen zur längeren Lebens- und Nutzungsdauer sowie Weiterverwertung von Textilen aufzuzeigen und zu diskutieren wie nachhaltiges Nutzungs- und Konsumverhalten von der Nische in den Mainstream gelangen können. Nachfolgend eine Zusammenfassung, die Dokumentation im Detail finden Sie hier zur Nachlese: https://bit.ly/2YyTO6X

Barbara Schmon (BMK) leitete ein, dass das Thema nachhaltige und vor allem langlebige Textilien höchst komplex sei. Allein für die Herstellung von Kleidern seien bis zu 20 Veredelungsschritte notwendig. Auch ist die Zusammensetzung der Materialien sehr vielschichtig, was erschwerende Auswirkungen auf die Weiterverarbeitung von Textilen habe. Sowohl Upcycling Initiativen als auch Initiativen zur längeren Nutzung würden sich derzeit noch in der Nische befinden.

Die Schnelllebigkeit in der Mode hat in den letzten Jahren stark zugenommen und Modeketten bringen bis zu 24 Kollektion pro Jahr heraus. Die Folge sind ein hoher Ressourcen- und Energieverbrauch sowie negative Umweltauswirkungen. Schnellwechselnde Angebote und Werbung führen zu einer Überkonsumation und geringen Nutzungs- und Lebensdauer von Textilien. Im Rahmen der Initiative „Bewusst Kaufen – klimafreundlich leben“ wurden im Oktober 2020 entsprechende Umfragen (Einkaufs- und Nutzungsverhalten sowie nachwachsendene Rohstoffe bei Kleidung) durchgeführt und die wichtigsten Ergebnisse dazu präsentiert. Zu den Key-Ergebnissen

Die Ergebnisse einer im Jahr 2015 von Nina Tröger (Arbeiterkammer Wien) durchgeführten Studie zum Thema Nutzungsdauer und Obsoleszenz zeigen, dass es kaum Zusammenhänge zwischen Nutzungsdauer und Geschlecht gibt. Bei unterschiedlichen Einkommen und Altersklassen sei jedoch ein Unterschied im Konsumverhalten feststellbar. So steigt sowohl mit höherem Einkommen als auch mit höherem Alter die Nutzungsdauer von Textilien.

Quelle: Wieser, Harald und Tröger, Nina (2015): Die Nutzungsdauer und Obsoleszenz von Gebrauchsgütern im Zeitalter der Beschleunigung, S. 35. Studie der AK Wien.

Wolfgang Pfoser-Almer, Geschäftsführer des Vereins Wearfair, welcher die jährlich stattfindende österreichische Messe für nachhaltigen Lebensstil „Wearfair+mehr“ organisiert, erzählte von dem steigenden Interesse an nachhaltigeren und langlebigeren Produkten – auch an den steigenden Besucherzahlen der Messe erkennbar. Außerdem berichtete er darüber, wie trotz erschwerter Bedingungen in diesem Jahr 2020, die Messe mit einem erfolgreichen Covid-19 Konzept stattfinden konnte.

Digitalisierung als Chance für die Weiternutzung von Kleidung – Wie können Imagewandel & Sichtbarkeit von Second-Hand Kleidung eine längere Nutzung unterstützen?

Um Textilien länger im Kreislauf zu behalten ist die Nutzung von online Plattformen für gebrauchte Produkte sinnvoll. Willhaben.at bietet nicht nur über 1,6 Millionen aktive Anzeigen für gebrauchte Produkte, sondern arbeitet mit gezielten Marketing-Kampagnen daran, das Image von gebrauchter Kleidung aufzuwerten. Die Wertigkeit von Kleidung soll im Bewusstsein der Nutzerinnen und Nutzern verankert werden, berichtete Reinhard Franz von willhaben.at (zur Präsentation). Die Auswirkungen der Covid-19 Krise sind im gestiegenen Kaufverhalten ihrer Kundinnen und Kunden spürbar. So stieg in etwa die Nachfrage nach gemütlicher Alltagskleidung an.

Nicht nur durch online Second Hand Kleidungshandel, auch durch Spenden gebrauchter Kleidung wird ein sozialwirtschaftlicher sowie ökologischer Nutzen erzeugt. Irene Schanda (RepaNet) präsentierte die Informationsplattform sachspenden.at, welche erstmalig mehrere Sammelstellen für gebrauchte Kleidung unter einem Dach vereint und für Spenderinnen und Spendern eine online Landkarte für das schnelle, einfache Auffinden von Rückgabestellen zur Verfügung stellt. Wie aus alter Kleidung neue Stücke werden, wird auch im Rahmen der Initiative „Rund Geht’s“ der österreichischen Abfallwirtschaft im Detail beschrieben: Zum Fallbeispiel 

Screenshot der Website www.sachspenden.at
Screenshot der Website www.sachspenden.at

Qualität im Kleidungsangebot und ressourcenschonende Produktion

Caroline Ledl (Lenzing AG) berichtet wie Lenzing AG zu einer nachhaltigeren Textilindustrie beiträgt. Nicht nur stammt der Rohstoff für ihre Textilprodukte aus zertifizierten Wäldern, das Produktionsunternehmen recycelt auch Abfälle aus der Textilindustrie und nutzt diese für die Faserproduktion.

GF Karl Mayr (Fussl Modestraße), präsentierte den Zugang seines Unternehmens zum Thema nachhaltige Mode und stellte Nachhaltigkeit als einen ganzheitlichen Wert seines Unternehmens dar. Dabei betonte Herr Mayr die wirtschaftlichen Schwierigkeiten/Grenzen mit denen Textilunternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit konfrontiert sind, verwies jedoch auf die Chance politischer Rahmenbedingungen hier etwa durch Zollerleichterungen bei der Einfuhr von Biobaumwolle lenkend zu agieren. Das Modeunternehmen strebe eine Positionierung als großer Textilanbieter für langlebige, wertvolle Kleidung an, jedoch ist Langlebigkeit kein vorrangiges Verkaufsargument.

GF Herbert Benzinger (ZERUM) erzählte von der Entstehung des jungen und fairen Modelabels und wie sie es geschafft haben zu einem ökologischen und sozialen Vorbild in der Modebranche zu werden. Das Unternehmen ZERUM ist aus einem Projekt im Rahmen einer Wirtschaftsethik Vorlesung an der Uni Graz entstanden. Aufgrund der Auseinandersetzung mit Fairtrade Produktion in Indien, suchte Herbert Benzinger Möglichkeiten Biobaumwolle in Österreich zu verwerten und lokal T-Shirts herzustellen. Heute bezieht das Unternehmen Baumwolle aus Griechenland und der Türkei.

Im anschließenden Teilnehmerkarussel, einer auf Dialog gerichteten Publikumsaktivität wurde die Wirksamkeit von rechtlichen und fiskalischen Maßnahmen in Bezug auf eine nachhaltigere Textilindustrie diskutiert, sowie das Thema Energieverbrauch in der Produktion besprochen.

Der europäische „Green Deal“ beinhaltet u.a. Nachhaltige Produkte als Norm in der EU, Stärkung der Position der Verbraucherinnen und Verbraucher woei die Konzentration auf die wichtigsten Produktwertschöpfungsketten (Elektronik und IKT; Batterien + Fahrzeuge; Verpackungen; Kunststoffe; Textilien; Bauwesen + Gebäude; Lebensmittel, Wasser + Nährstoffe)

Abschließend präsentierte Claudia Wehner (BMK) die europäische Sicht auf das Thema Textilien und Kreislaufwirtschaft. Der in Umsetzung befindliche Kreislaufwirtschaftsaktionsplan sollte bis Ende 2021 final publiziert werden. Zur Präsentation

Henriette Gupfinger (Initiative bewusstkaufen.at) ging auf die Labelvielfalt im Textilbereich ein, die im Label Kompass für uns Konsumentinnen und Konsumenten übersichtlich dargestellt werden.

Katharina Klinger (OIKOS Wien) fasste in ihrem Schlussstatement den Dialog aus Sicht der Studierenden zusammen: Noch stärker in Bewusstseinsbildung investieren, den Menschen Alternativen der Kleidungsnutzung aufzeigen und möglichst viele auf diesem Weg mitzunehmen.

Aufbauend auf den Ergebnissen des ersten Österreichischen Obsoleszenz-Dialogs 2018 und dem Workshop Konsummodelle im Wandel 2019, wurden am Ende noch sieben Ideen zur nachhaltigen Transformation der Textilbranche von dem TeilnehmerInnen bewertet. Abgestimmt wurde, welche dieser Maßnahmen noch stärker in der politischen Umsetzung forciert bzw. vertiefend diskutiert werden sollten. 

Die detaillierte Dokumentation des Österreichischen Obsoleszenz-Dialogs 2020 finden Sie hier zur Nachlese: https://bit.ly/2YyTO6X