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KategorienNachgefragtNachgefragt bei… Maria Kapeller

Die Autorin und (Reise-)Journalistin Maria Kapeller setzt sich für nachhaltiges Reisen ein. Wir haben nachgefragt, warum wir unser Reiseverhalten überdenken müssen und was wir dabei gewinnen können zum Beispiel Entschleunigung, Selbsterkenntnis und Verbundenheit mit der Natur und anderen Menschen.

Warum sollten wir unsere Art zu reisen überdenken?

Zuerst einmal ist es verständlich, dass wir Menschen reisen möchten. Auch Auszeiten, Erholung, Abenteuer und das Sammeln neuer Eindrücke können sehr bereichernd sein. Aber das Reisen ist heute zu einem Konsumgut verkommen und selbstverständlich geworden. Das Reisen muss vieles kompensieren, was in unserem stressigen, hektischen Alltag nicht gut läuft. Unsere Art des Reisens zu überdenken ist aus drei Gründen wichtig: aus ökologischen, aus sozialen und unserer selbst wegen. Mit der heute praktizierten Reiseart – schnell, häufig, umweltschädlich – zerstören wir jene Paradiese, die wir so gerne bereisen. Tourismus hat ökologische Auswirkungen wie etwa die Emissionen des Fliegens, einen hohen Wasserverbrauch oder die Zerstörung von nutzbarer, landwirtschaftlicher Fläche. Auch soziale Aspekte kommen dazu, etwa wenn Landwirt*innen aufgrund von Hotel-Neubauten von ihrem Land vertrieben werden oder Menschen unter schlechten Arbeitsbedingungen in touristischen Einrichtungen leiden. Vom Überdenken der gängigen Reisepraxis würden die Umwelt, die „bereisten“ Menschen und letztlich auch wir Reisenden selbst profitieren.

Ihr Expert:innentipp: Wie können wir nachhaltiger reisen?

Zuerst einmal ist es nötig, uns der negativen Auswirkungen unseres Reiseverhaltens als Gesellschaft bewusst zu werden. Wer etwa einmal im Jahr einen Langstreckenflug absolviert, macht damit sein womöglich umweltfreundliches Alltagsverhalten mit einem Schlag zunichte. Man kann nicht 10.000 Kilometer weit fliegen und im Gegenzug daheim auf To-Go-Becher aus Plastik verzichten, diese Rechnung geht einfach nicht auf. Das ehrliche Hinschauen schafft womöglich Aha-Momente, die zum Nachdenken und Ins-Tun-Kommen anregen. Was auf jeden Fall auch gesagt werden muss: Nachhaltiger und sozial verträglicher zu reisen ist aktuell sehr schwierig, weil unser gesamtes System auf Umweltunfreundlichkeit und Unfairness aufgebaut ist. Man kann bei sich selbst ansetzen und etwa statt mit dem Flieger mit dem Zug verreisen oder vor Ort auf familiengeführte Hotels und lokale Küche achten. Letztlich wird das Reisen nur verträglicher, wenn wir uns als Gesellschaft für die Klimawende, die Mobilitätswende, für ein gerechteres Wirtschaftssystem und gegen Überreichtum (Reiche verbrauchen auch beim Reisen enorme Ressourcen) einsetzen. Die nachhaltigste Form des Reisens ist also im Moment vielleicht jene, mit dem Rad zur Klimademo zu fahren oder eine Petition für soziale Gerechtigkeit zu unterschreiben. Und sich damit als bewusste/r Reisende:r für neue, positivere Standards einzusetzen.

Und was können wir dadurch gewinnen – ökologisch aber auch persönlich? 

Wenn wir das Reisen neu gestalten, schaffen wir die Basis dafür, dass wir künftig überhaupt noch reisen können. Dann können sich Länder und Städte samt ihrer Bewohner:innen ein Stück weit erholen, der Flugverkehr nimmt ab (beziehungsweise steigt zumindest nicht mehr extrem an) und die Natur ist besser geschützt. Auf der persönlichen Ebene würde eine andere Art des Reisens zu mehr Entschleunigung, Selbsterkenntnis und innerem Wachstum, Verbundenheit mit anderen Menschen und Dankbarkeit führen. Gerade letztere ist bewiesenermaßen essenziell, um ein zufriedenes Leben zu führen. Letztendlich ist Reisen ein Luxusgut, das global vergleichsweise wenigen Menschen vorbehalten ist. Wir zählen zu diesen Menschen und tragen deshalb auch Verantwortung, umsichtig mit diesem Privileg umzugehen. Fazit: Es geht nicht darum, das Reisen abzuschaffen. Aber darum, eine neue Reisekultur zu etablieren – sonst wird Reisen irgendwann überhaupt nicht mehr möglich sein. 

Buch-Tipp: Maria Kapeller, „Lovely Planet“, 2022

Porträt Maria Kapeller
© Jasmin Walter

Maria Kapeller arbeitet als selbständige Texterin, Autorin & Journalistin und hat das alternative Onlinereisemagazin www.kofferpacken.at ins Leben gerufen.